Dietrich Bonhoeffers 75. Todestag

Liebe Gemeindeglieder,

am kommenden Gründonnerstag wollten wir uns im Bonhoefferhaus treffen.

Gruppen, Kreise, Mitarbeiterinnen des Hauses wollten gemeinsam den Nachmittag gestalten, die frisch gerahmten und aufgearbeiteten Seidenwerke der vergangenen Zeit bewundern, beisammen sein und den 75. Todestag des Namensgebers des Hauses bedenken.

Durch die Schutzmaßnahmen aufgrund der Pandemie ist das an diesem Tag nicht möglich. Daher schreibe ich Ihnen einige Zeilen für die Homepage. Vielleicht sind wir dann so miteinander verbunden und denken gemeinsam an diesen besonderen Tag und holen die Geselligkeit nach.

Der Name des Hauses übrigens wurde offensichtlich recht plötzlich und unspektakulär gegeben. Im Hörsterfeld gab es ohnehin schon die Straßennamen der Widerstandskämpfer. Da bot sich der Name Bonhoeffer sehr gut an und nach einer Anfrage des damaligen Kollegen im Hörsterfeld wurde der Vorschlag genehmigt und in die Tat umgesetzt. Und das Haus begann als zum dritten Mal wiederaufgebautes Fertighaus lebendige und volle Versammlungen aller Art zu beherbergen.

Aber das zur Geschichte des Hauses.

Ja , der Gründonnerstag ist der 75. Todestages Dietrich Bonhoeffer.

Er wurde im Konzentrationslager Flossenbürg als Attentatsbeteiligter auf Adolf Hitler erschossen.

Im Internet und im Buchhandel finden sie viel über Dietrich Bonhoeffer.

Seine Werke natürlich und auch die noch immer sehr lesenswerte Biografie von Eberhard Bethge.

Ich möchte Ihnen einige Dinge berichten, wo mir die Begegnung mit Bonhoeffers Leben und Werk nahe ging, und es immer auch wieder tut. Vielleicht ist das auch eine Anregung für Sie oder mag sein, dass es Ihnen ja auch so geht. Eines haben wir ja auf jeden Fall gemeinsam, es ist das „Bonhoefferlied“, dass wir jedes Jahr zur Jahreswende gemeinsam im Munde haben und singen, neben dem Gemeindehaus, das seinen Namen trägt.

Bonhoeffers „Ethik“ und „Nachfolge“ habe ich noch ab und zu in der Hand. Die Biografie von E. Bethge jetzt nach langer Zeit wieder einmal.

Sie ist sogar vom Verfasser signiert. Bonn, den 21.5.1996. Und es fällt beim durchblättern etwas heraus. Ein Buchenblatt hatte ich dort hineingelegt, ein besonderes Blatt von einem besonderen Ort an einem besonderen Tag. Dazu aber später. Ich brings mit, wenn wir zusammenkommen.

Vor Beginn meines Theologiestudiums las ich die „Nachfolge“ von D. Bonhoeffer. Es war ein bekannter Name, ein Theologe, dem man Respekt zu zollen hatte aufgrund der Lebensleistung und einer klaren Theologie.

Das hat mich begeistert. Mir gefiel, wie er zuallererst eben theologisch dachte um das dann aber auch verantwortlich für die Welt ethisch versuchte umzusetzen. Vielleicht hatte ich den Eindruck in den späten 80ern, dass das damals in meinem kirchlichen Umfeld oft umgekehrt war, manchmal finde ich das bis heute, aber in der Zeit damals hat das mich die Beschäftigung mit D.Bonhoeffer gefesselt. Ja, die Rede von der Gnade von der wir durch Jesus Christus reden dürfen. Bonhoeffer nennt es fokussiert die teure Gnade und die billige Gnade. Die teure Gnade, die den Menschen als Geschenk aber auch als Lebensmaxime anrührt und immer wieder neu auf Gottes Wege lenkt einerseits, und die billige Gnade, als Gedankenbesitz und Dauerkarte zur Rechtfertigung des eigenen Lebensentwurfes. (D. Bonhoeffer , Nachfolge S.13.ff)Dieses Spannungsverhältnis in der Deutung der Gnade prägt sich ein.

Theologisch aus den Quellen reflektiert aber auch als klarer Auftrag für die Gegenwart-

Mir war damals nicht so sehr bewusst, wie deutlich darin auch eine zeitgenössische scharfe Kritik am Protestantismus der Gegenwart steckte, an seiner mehrheitlich aktuell politisch unkritischen Haltung.

Das Buch „Nachfolge“ von D. Bonhoeffer erschien als Werk just an dem Tag, als sein Predigerseminar der bekennenden Kirche in Finkenwalde bei Stettin von der Politik geschlossen wurde, viele Prediger des Seminars in Haft waren und sich die Kirche noch weiter spaltete in eben die bekennende Kirche und die Deutschen Christen. Bonhoeffer erwähnt auch im Schriftwechsel mit manchem Prediger den Einfluss der Seminarzeit auf seine Theologie der Gnade. Aber das habe ich erst später mitbekommen. Die teure Gnade und die billige Gnade…

In seiner „Ethik“, S.273f  Gibt es eine Verantwortung der einzelnen Christen ? Der einzelne Christ kann  zwar nicht verantwortlich gemacht werden für das Handeln der Obrigkeit, noch darf er sich selbst dafür verantwortlich machen, aber er ist auf Grund seines Glaubens und seiner Nächstenliebe verantwortlich für seinen eigenen Beruf und persönlichen Lebensbereich, so groß oder so klein er ist…Niemand kann ihm diese Verantwortlichkeit , die ein Stück seines Lebens in der Heiligung ist, abnehmen oder verbieten. Denn sie kommt aus dem Gehorsam gegen den Herrn der Kirche und der Obrigkeit.“

So manche Orte des Gedenkens an Dietrich Bonhoeffer haben mich beschäftigt. Ich erinnere mich an eine Fahrt von meiner Studentenstadt Erlangen nach Flossenbürg. Nach dem Verfassen “unseres“ Silvesterliedes am Silvestertag 1944 hat es nur noch 3 Monate gedauert, bis er getötet wurde dort im Konzentrationslager in der Oberpfalz.

Ich erinnere mich an viele Besuche auf dem Dorotheenstädischen Friedhof in Berlin. Inmitten von vielen Prominenten aus unterschiedlichen Zeiten ist dort eine Gedenktafel mit einem schlichten Stahlkreuz, in Gedenken an die Beteiligten des Attentates auf Adolf Hitler vom 20.Juli 1944.

Ein Ort des Innehaltens und der Stille.

Ja, und garnicht so weit davon befindet sich die Zionskirche in Berlin, in der Dietrich Bonhoeffer eine kurze Zeit als frisch Ordinierter wirkte. Damals war die Gegend eine schwere Gegend für junge Menschen.

50 Konfirmanden begleitete er dort und hatte ein großes Herz für das Viertel und die Arbeit dort. Die Gegend heute hat sich dort sehr verändert aber die Kirche selber und die Gemeinde hat einen unglaublichen Charme auch aufgrund ihrer protestreichen Zeit in der Wendezeit. Und mir gefällt bei dem Gedanken an Bonhoeffer und seine Zeit damals der besondere unfertige Charme der Kirche. Sie ist groß, beeindruckend, aber eben nicht „wie geleckt“, renovierungsbedürftig vielleicht aber eben auf ihre unfertige Art und Weise mitten im Leben. Ich mag diesen Ort mit diesen Gedanken…

Ja, und dann ist da noch dieses Buch mit dem Blatt, das herausgefallen ist zu Bonhoeffers Todestaggedenken in der kommenden Woche.

Ich habe es 1999 von einer großen und mächtigen Rotbuche abgepflückt.

Diese Buche steht auf dem Gelände des ehemaligen Predigerseminars der Bekennenden Kirche im damaligen Finkenwalde. Wenn ich daran denke, wie die Umstände damals waren im Vergleich zu den Zeiten des Predigerseminars.

Das war schon eine seltsame Begegnung in Finkenwalde. Ich war dort während des Auslandsvikariates. Der besondere Ort für die Kirche des Nachkriegsdeutschland liegt heute in Polen. Ich war dort mit meinem polnischen evangelisch-lutherischen Chef und Pfarrer der lutherischen Gemeinde in Szczecin (Stettin). Und wir trafen und dort mit einem Pfarrer mit ostdeutscher Biografie und Tätigkeit. Der Ort selber war überwuchert mit Büschen und Sträuchern und es standen lediglich die Fundamente und mittendrin diese alte mächtige Rotbuche, oder auch Blutbuche wegen ihrer Farbe genannt. Ich hatte ein seltsames Befremden in mir. Wer von den versammelten könnte jetzt sagen, daß Bonhoeffer zu „seinem Kirchenerbe der Kirchengeschichte“ gehört  ?

Der polnisch-lutherische Kollege ? (Damals gab es große Diskussionen um eine polnische Bonhoeffergesellschaft und den moralischen Anspruch darauf, ihn in die eigene Kirchengeschichte einzureihen)

Der Rheinische Auslandsvikar Jahrgang 1968 ?

Der im Sozialismus angepasste politische Kollege ?

Vermutlich wäre es etwas anderes gewesen, wenn einer der pensionierten Kollegen aus der Zeit der bekennenden Kirche dabeigewesen wäre…

 

Aber vielleicht ist es auch genau das, was ich in diesem Moment befremdlich fand, daß jeder in seiner Zeit theologisch auf Bonhoeffer einlassen kann, die Zeit damals reflektiert und sie für sein Handeln versucht umzusetzen, um nicht vor allem epigonenhaften sich hinter ihn in die Reihe zu stellen die eigene „Nachfolge „ dabei vergisst.

 

Mit Blick auf das Bonhoefferhaus im Hörsterfeld fallen mir Frauen aus der Gemeinde ein, die bis heute maßgeblich das Haus begleiten und für die Gemeinde verwalteten.Da sind Ulla Rühl, Damar Boß, Ingeborg Gattwinkel, Renate Falk und Karin Jung zu nennen.

Ich denke an viele besondere Veranstaltungen und treffen dort, die für den Stadtteil wichtig waren. Gottesdienste, Kindergottesdienste, aber auch Gemeinschaftstreffen in den Aufbauzeiten, Bildungs- und Informationstreffen, politische Themenabende der EAB und auch selber an einen Abend „ Der Krieg und der Glaube „ in der Irakkriegzeit.

 

Vielleicht haben wir einmal einen schönen Abend lang Zeit, das ein oder andere gemeinsam Revue passieren zu lassen  und sich daran zu erinnern, wie es damals war, und wo vielleicht für uns der Name des hauses besonders gut gepasst hat und wo vielleicht auch nicht. Manchmal kann man aus der Geschichte manche Kraft für die Zukunft schöpfen.

Bis dahin aber, bleiben sie gesund und behütet,

 

Ihr Olaf Zechlin, Pfarrer

 

 

 

Glaubensbekenntnis

Dietrich Bonhoeffer

Ich glaube,

dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,

Gutes entstehen lassen kann und will.

Dafür braucht er Menschen,

die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube,

dass Gott uns in jeder Notlage

soviel Widerstandskraft geben will,

wie wir brauchen.

Aber er gibt sie nicht im Voraus,

damit wir uns nicht auf uns selbst,

sondern allein auf ihn verlassen.

In solchem Glauben müsste alle Angst

vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube,

dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich

sind, und dass es Gott nicht schwerer ist,

mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen

Guttaten.

Ich glaube,

dass Gott kein zeitloses Fatum ist,

sondern dass er auf aufrichtige Gebete

und verantwortliche Taten wartet

und antwortet.

 

Kurzbiografie

Dietrich Bonhoeffer wird am 4. Februar 1906 als sechstes von acht Kindern in Breslau geboren. Der Vater, Karl Bonhoeffer, ist ein angesehenerNeurologe und  Psychiater. Seine Mutter Paula Bonhoeffer ist von adliger Abstammung. Die Familie gehört zum Bildungsbürgertum.


1923 beginntBonhoeffer zum Theologiestudium

Bis 1927 studiert er evangelische Theologie in Tübingen, Rom und Berlin. Dort promoviert er.

An der deutschen Kirche in Barcelona macht Dietrich Bonhoeffer sein Vikariat. Danach wird er Professor mit 24 Jahren an der Universität Berlin.

 

Er macht einen Studienaufenthalt in New York.

Bonhoeffer lernt dort die Gottesdienste der farbigen Gemeinden in Harlem kennen, ihre besondere Musik, die Spirituals. Besonders beeindruckt ihn aber der leidenschaftliche und freie Stil des Predigens. In der Zeit wirtschaftlicher Nöte und Verelendung erkennt er, dass die Kirche hier ganz praktisch den Schwächeren hilft, gerade mit dem konkreten politischen und sozialen Engagement für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung.

Bonhoeffer ist einer der ersten, der die Kirche in Deutschland dazu auffordert, ihre Stimme für die Juden zu erheben.

Nach seiner Rückkehr aus Übersee arbeitete er als Studentenpfarrer in Berlin.

Von 1933 bis 1935 nimmt er eine Pastorenstelle an der deutschen evangelischen Gemeinde Londons an. Schon kurz nach Hitlers Machtergreifung tritt Dietrich Bonhoeffer der Bekennenden Kirche bei, für die er ab 1935 das Predigerseminar in Finkenwalde/Pommern leitet. Noch im selben Jahr lässt der Reichskirchenminister das Seminar für illegal erklären, 1937 wird es endgültig geschlossen. All diese Repressalien halten Bonhoeffer aber nicht davon ab, weiterhin zu unterrichten – und zwar heimlich.

1940 erhält er nach weiteren illegalen Seminaren Redeverbot und muss sich regelmäßig polizeilich melden. Über seinen Schwager Hans von Dohnanyi erhält er eine sogenannte Unabkömmlichkeitsstellung beim militärischen Geheimdienst von Admiral Canaris. Dort befindet sich eine Widerstandszelle, die Attentatsversuche gegen Hitler unterstützt und organisiert. Bonhoeffer hält ins Ausland Kontakt und informiert englische Freunde über die Vorhaben der deutschen Widerständler.

Nach den gescheiterten Hitler-Attentaten 13. und 21. März 1943 wird Bonhoeffer wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet.

Am 7. Februar 1945 wird er in das KZ Buchenwald verlegt, Anfang April 1945 ins KZ Flossenbürg.