Online-Andacht zu Pfingsten

Apostelgeschichte 2,1-13

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.

Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer?  Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache?  Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?  Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins. 

Liebe Gemeinde,

sammeln Sie eigentlich auch die Grußkarten, die liebe Menschen Ihnen zu Festtagen geschickt haben? Ich selbst habe inzwischen einen ganzen Karton voll damit. Wenn ich Zeit habe, öffne ich ihn manchmal und stöbere darin herum. Dann fühle ich mich mit all den Menschen verbunden, die mir die Karten geschickt haben.

Die meisten davon erhalte ich an Weihnachten, z. B. Karten mit Weihnachtsgrüßen in ganz vielen Sprachen oder auch mit einem Stern wie dem über dem Stall in Bethlehem, oder mit einem Bild der Heiligen Familie, wie sie der großer Maler Rembrandt gemalt hat. All diese Karten bringen etwas von dem Wunder zum Ausdruck, das an Weihnachten geschah. Und die Weihnachtsgrüße auf der Rückseite der Karten zeigen, dass liebe Menschen an mich gedacht haben. Und ich könnte jetzt mit den Osterkarten genauso fortfahren. Davon habe ich inzwischen ja auch ganz viele mit schier unendlich vielen verschiedenen Motiven, von rein volkstümlichen Motiven wie Osterhasen und Körben mit bunten Ostereiern angefangen bis hin zu christlichen Motiven wie dem Kreuz und dem leeren Grab Jesu. Sie alle sollen die Freude über die Auferstehung Jesu und das neue Leben, an dem wir Anteil haben dürfen, ausdrücken.

Es gibt noch viele weitere Karten in meiner Schatzkiste, Geburtstagskarten, Karten zum bestandenen Examen und auch Karten ohne Bezug auf ein Kirchen- oder Lebensfest, manche mit einem Photo der Absenderin / des Absenders, andere mit Ansichten von Urlaubsorten. Da sagen mir liebe Menschen einfach einmal ´Hallo´ und zeigen so, dass unsere innige Verbindung zueinander weiter besteht. Wie wunderbar!

Aber eines vermisse ich doch: Pfingstkarten! Ich habe keine einzige bisher erhalten, in den vergangenen Jahren nicht und in diesem Jahr auch nicht. Und Sie? Ich vermute, dass es vielen von uns da ähnlich geht. Wenn man sich die Kartenständer in den Geschäften, abgesehen von denen in theologischen Buchhandlungen, ansieht, dann gibt es dort zumeist noch nicht einmal die Rubrik ´Pfingsten´. Grüße an Pfingsten sind also gar nicht erst vorgesehen! Warum eigentlich nicht? Woran mag das wohl liegen?

Eine emnid-Umfrage im Jahr 2009 hatte ergeben, dass nur die Hälfte der Befragten wusste, was denn da an Pfingsten überhaupt gefeiert wird. Das ist verwunderlich angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Pfingstfest doch um nichts weniger handelt als den Geburtstag der Kirche. Wer vergisst schon seinen eigenen Geburtstag?

Ist das Pfingstfest vielleicht unbeliebter als andere Feste? Oder ist es unverständlicher?

Interessanterweise wird das Weihnachtsfest sogar von Menschen gefeiert, die weder zur Familie der Christenheit gehören noch sich mit ihr verbunden fühlen. Das mag daran liegen, dass die Geburt eines Kindes und die Sorge um dessen Wohlergehen uns selbst bestens vertraut sind. Daran können wir mit unseren eigenen Erfahrungen anknüpfen. Und wir Christinnen und Christen finden in dem süßen kleinen „Knaben im lockigen Haar“ in der Krippe auch noch eine sichtbare Darstellung von etwas, woran wir glauben.

An Ostern ist das vergleichbar: Auch wenn die Auferstehung Jesu schwer vorstellbar und erst recht nicht wirklich darstellbar ist, haben wir immerhin ein sichtbares leeres Grab mit einem weggerollten Stein und dem Engel im weißen Gewand mit seinen wunderbaren Worten: „Fürchtet Euch nicht!“ Auch daran können wir mit unseren Erfahrungen anknüpfen, denn wir kennen die Sehnsucht, unsere verstorbenen Lieben wiederzusehen. Und auch die Furcht ist uns bestens vertraut.

Und Pfingsten? Haben wir da auch einen Anknüpfungspunkt? Vielleicht einen, der nur nicht so offensichtlich ist wie derjenige an Weihnachten und Ostern?

Im Zentrum von Pfingsten steht der Heiligen Geist. Jesus Christus ist an Himmelfahrt zu seinem und unserem himmlischen Vater zurückgekehrt. Aber er lässt uns nicht verwaist zurück, sondern sendet uns den Heiligen Geist, als unsere Kraft und unseren Trost. In seiner Geistkraft ist Gott weiter bei uns in unserem Leben. Auch hier ist eigentlich etwas zu finden, das uns vertraut sein dürfte. Wenn ein lieber Mensch von uns geht, ist das für uns meistens sehr schmerzhaft. Und wir suchen dann nach dem, was uns von ihm bleibt. Manchmal finden wir etwas Trost in dem, was er uns zurücklässt: handgeschriebene Briefe, sein Parfum, Erinnerungsstücke… An Pfingsten geht Jesus nach seiner Rückkehr zu Gott sogar weit darüber hinaus. Er sendet uns seinen Heiligen Geist, in dem er weiterhin bei uns ist und uns Trost, Orientierung und Lebenskraft schenkt. Mit unserer Sehnsucht nach dem Bleibenden, nach dem, die oder der uns nicht verlässt, haben wir auch hier einen Bezugspunkt.

Und dann ist da noch die Sprache, die an Pfingsten eine bedeutende Rolle spielt. Sie ist für die zwischenmenschliche Verständigung und unsere Beziehung zu Gott unerlässlich. Dass wir Menschen eigentlich als soziale Wesen geschaffen worden sind, die von Gott die Gabe mitbekommen haben, miteinander und mit Gott in Beziehung zu treten und einander zu verstehen, von Mund zu Ohr und von Herz zu Herz, davon erzählt die Schöpfungsgeschichte (Gen 1 u. 2). Aber schon die Urgeschichte weiß davon zu berichten, dass Menschen ihre Fähigkeit zum Austausch miteinander nicht in dem von Gott gewollten Sinne einsetzen. Der Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9) ist Sinnbild davon. Ihre Sprache verwenden Menschen, um gemeinsam einen Plan zu schmieden, wie sie sich selbst ein unermesslich großes Denkmal setzen können, eines, das bis in den Himmel reicht. Nicht das gemeinsame Lob Gottes haben sie im Sinn, und auf den Lippen nein, sie verabreden sich dazu, sich selbst einen unsterblichen Namen zu machen. Sein wie Gott, Ausdruck menschlicher Hybris, die dürfte uns heute auch noch bestens vertraut sein. Das Kreisen von Menschen um die eigene Person und die eigenen Anliegen zieht medizinethische Probleme ebenso nach sich wie die Klimakatastrophe und den Konflikt zwischen den Generationen. Gerade in Corona-Zeiten wird das ja wieder einmal sichtbar. Wenn das Geschöpf sich zum Schöpfer erhebt, verliert es seine Beziehung zu Gott und infolgedessen auch sich selbst und seine Beziehung zu anderen Menschen. In der Erzählung vom Turmbau zu Babel jedenfalls macht Gott dem unheilvollen Treiben ein Ende, indem er die Sprachen der Menschen verwirrt und eine Verständigung unmöglich macht.

Verwirrte Sprache! Auch hier finden wir einen Anknüpfungspunkt. Denn bis heute ist die Verständigung zwischen uns Menschen schwierig. Die Suche nach dem richtigen Ton, nach den richtigen Worten, die die Ohren und Herzen unsere Mitmenschen erreichen, ist mühsam und oftmals auch schmerzlich. Und der Missbrauch von Sprache, etwa wie aktuell im Rahmen des Nahost-Konfliktes zur Verbreitung von antisemitischen Hassparolen, führt dazu, Konflikte immer weiter zu schüren und die Kluft zwischen den Menschen immer stärker zu vergrößern.

Wie muss sie beschaffen sein, die Sprache, die verbindet, statt zu trennen, die heilt, statt zu verletzen? Eine solche Sprache kommt von Gott, so sagt es die Bibel. Und sie beschreibt es in Bildern, die nur erahnen lassen, wie das denn vonstatten gegangen sein mag: ein „Brausen vom Himmel, wie von einem gewaltigen Sturm {…}, Zungen zerteilt und wie von Feuer {…} setzten sich auf einen jeden von ihnen“ (Apg 2,2f.). Die Jünger werden vom Heiligen Geist ergriffen und erfüllt. Und sie verlieren ihre Angst, werden von all dem befreit, was sie voneinander und von Gott trennt. Befreit sind sie zueinander und befreit von der Scheu, voreinander von ihrem Glauben zu reden. Auch hier können wir unsere Erfahrungen einbringen! Denn wie schwer ist es, den eigenen Glauben zu bekennen und zu leben in einer Welt, in der die Kirchen leer und die Selbstfindungstempel voll sind. Doch wie befreiend kann es sein, wenn wir es dennoch ausprobieren! Dann merken wir vielleicht, dass wir es können, ohne Hemmung! Gott schenkt uns die Freiheit dazu! „Denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2 Kor 3,17).“ Sorgen wir uns also nicht darum, ob wir fromm genug und unsere Worte trefflich genug sind. Probieren wir es einfach! Erzählen wir offen von unserem Glauben und dem, was er für unser Leben bedeutet, und laden wir andere in unsere Kirchen ein.

Liebe Gemeinde, es gibt so viele Aspekte an dem Pfingstfest, an die wir mit unseren Erfahrungen anknüpfen können. Was Gott uns an Pfingsten schenkt, hat mit unserem Leben zu tun. Gott selbst knüpft an unser Leben an! Das Pfingstereignis ist die Antwort Gottes auf unsere Sehnsucht: nach Gemeinschaft miteinander, nach Befreiung von unseren Grenzen und nach der bleibenden Gemeinschaft mit Gott. Und das kann der Anlass sein, einander von Herzen Frohe Pfingsten zu wünschen! Vielleicht auch, indem wir einander eine schöne Grußkarte zu Pfingsten schicken? Was aber könnte ein schönes und treffendes Motiv auf unserer Karte sein? Eine Friedenstaube wäre möglich, Feuerzungen wären ebenfalls ausdrucksstark. Doch aus der Perspektive der Freiheit, die Gott uns durch seinen Heiligen Geist schenkt, schlage ich heute ein anderes Motiv vor: offene Handschellen. Diese bringen die Pfingstbotschaft bestens zum Ausdruck: „Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit!“

Das Pfarrteam wünscht Ihnen und Ihren Lieben Frohe Pfingsten!

Olaf Zechlin, Birgit Niggeling und Cornelia Jager